- Physiknobelpreis 1997: Steven Chu — Claude Cohen-Tannoudji — William Daniel Phillips
- Physiknobelpreis 1997: Steven Chu — Claude Cohen-Tannoudji — William Daniel PhillipsDen amerikanischen Wissenschaftlern Chu und Phillips und ihrem französischen Kollegen Cohen-Tannoudji wurde der Nobelpreis für die Entwicklung von Methoden zum Kühlen und Einfangen von Atomen mithilfe von Laserlicht verliehen.BiografienSteven Chu, * St. Louis (USA) 28. 2. 1948; 1976 Promotion an der Berkeley University of California, seit 1990 Professor an der Stanford-University in Palo Alto (Kalifornien).Claude Cohen-Tannoudji, * Constantine (Algerien) 1. 4. 1933; 1962 Promotion, seit 1973 Professor am Collège de France in Paris; arbeitet auch an der École Normale Supérieure. Französischer Staatsbürger.William Daniel Phillips, * Wilkes-Barre (USA) 5. 11. 1948; 1976 Promotion am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Arbeiten am National Institute of Standards and Technology in Gaithersburg (Maryland).Würdigung der preisgekrönten LeistungDurch die von den Preisträgern entwickelte Technik wurde es möglich, mit Laserlicht Gasmoleküle auf extrem tiefe Temperaturen abzukühlen. Diese Technologie hat dazu beigetragen, quantenphysikalische Phänomene mit einer bisher nicht gekannten Genauigkeit zu messen und Präzisionsinstrumente wie Atomuhren zu bauen.Die Brown'sche Molekularbewegung endet erst am unerreichbaren absoluten Nullpunkt von 0 Kelvin, etwa -273,15 Grad Celsius. Für Präzisionsmessungen an Atomen ist dies ein Ärgernis. Denn durch den so genannten Dopplereffekt verbreitert sich das Spektrum eines Gases identischer Atome um ein Millionstel der eigentlichen Frequenz. Doch das genügt, um die Überprüfung quantentheoretischer Phänomene zu verhindern.Eine konventionelle Kühlung stößt an technische Grenzen und die Kühlung mit Licht, die auf Albert Einstein (Nobelpreis 1921) zurückgeht, war lange nicht möglich. Er hatte 1917 vorausgesagt, dass ein molekulares Gas, das mit dem weißen Licht einer Glühbirne bestrahlt wird, die Temperatur des ausgestrahlten Lichtfelds annimmt. Ausgangspunkt seiner Schlussfolgerung war die Vorstellung, dass die Lichtquanten der Photonen nicht nur Energie, sondern auch Impuls auf Moleküle übertragen können. Dieser Strahlungsdruck sollte die Geschwindigkeit der Gasmoleküle ändern.Diskretes Licht für die AtomeDie Entwicklung des ersten Lasers — Bündel aus streng einfarbigem, kohärentem Licht — durch den amerikanischen Physiker Theodore Harold Maiman bot 1960 die Möglichkeit, Einsteins Idee umzusetzen. Der amerikanische Physiker Arthur Leonard Schawlow (Nobelpreis 1981) und sein deutscher Mitarbeiter Theodor Hänsch schlugen 1975 vor, Gasmoleküle von zwei entgegengesetzten Seiten mit Laserlicht abzubremsen. Es sollten sich Temperaturen erreichen lassen, die nur einige Mikrokelvin über dem absoluten Nullpunkt liegen.Der Impuls wird durch diskrete Lichtpakete, die Photonen, vom Laser auf die Materie übertragen. Um zum Beispiel ein Natriumatom der Geschwindigkeit von 1000 Meter pro Sekunde vollständig abzubremsen, müssen 30 000 Photonen das Atom exakt treffen. Die Spektren der Gasatome sind bei Raumtemperatur wegen ihrer Wärmebewegung verschmiert. Bewegt sich das Atom auf das Laserlicht zu, ist seine Absorptionsfrequenz scheinbar niedriger. Bewegt es sich davon weg, scheint sie entsprechend erhöht zu sein. Jedes Atom hat nach dieser Dopplerverschiebung ein im Vergleich zum ruhenden Atom geringfügig verschobenes Spektrum. Die Frequenz des Laserlichts muss deshalb etwas unterhalb der Absorptionsfrequenz der Gasteilchen liegen. Atome, die dem Licht zufällig entgegenfliegen, absorbieren die Photonen. Durch den aufgenommenen Impuls werden sie abgebremst. Zwar müssen sie das Photon wieder abgeben, doch der daraus resultierende Rückstoß kann in jede beliebige Richtung erfolgen. Im Mittel der Absorptions-Emissions-Zyklen werden sie dennoch langsamer. Die vom Laser wegfliegenden Atome werden beschleunigt. Doch ist die Absorptionswahrscheinlichkeit hier viel niedriger, da die Frequenz des Lasers zu niedrig ist.Der Arbeitsgruppe um William Daniel Phillips gelang es Anfang der 1980er-Jahre, die Verringerung des Dopplereffekts beim sukzessiven Abbremsen der Atome zu kompensieren. Sie entwarf ein veränderliches Magnetfeld, das durch den Zeeman Effekt die Energieniveaus der Atome veränderte. Dadurch wurde eine Verschiebung der Absorptionsfrequenz erreicht, die der Dopplerverschiebung genau entgegengesetzt war. 1985 konnte sie zum ersten Mal Atome abbremsen.Im gleichen Jahr baute die Gruppe um Steven Chu eine Kühlung mit sechs Lasern. Paarweise entgegengesetzt wurden sie in drei Dimensionen angeordnet. Das Licht der sechs Laser war leicht rotverschoben und ihr gekühltes Natriumgas sah mit bloßem Auge aus wie eine glühende Wolke aus einer Million Atomen. Die Forscher sprachen von »optischem Sirup«. Doch schon nach einer zehntel Sekunde wurde er von der Schwerkraft zu Boden gezogen. Chu erreichte mit dieser Dopplerkühlung eine Temperatur von 240 Mikrokelvin oder einer Geschwindigkeit der Natriumatome von 30 Zentimeter pro Sekunde. Er hatte damit die theoretische Grenze der Dopplerkühlung erreicht.Das Problem der Schwerkraft löste Chu zwei Jahre später mit der magneto-optischen Falle, indem er seinen sechspoligen Laser um ein vierpoliges Magnetfeld ergänzte. 1988 stellte Phillips mit verbesserten Messmethoden fest, dass mit dieser Anordnung die Dopplergrenze um das Sechsfache unterboten werden kann. Er hatte eine Temperatur von nur noch 40 Mikrokelvin gemessen. Im Jahr darauf gelang es Claude Cohen-Tannoudji, den Befund als »Sisyphus-Kühlung« zu deuten.Grenzenlose KälteSehr langsame Atome verlieren noch mehr Energie. Weil sie ein Photon des Laserlichts absorbieren und anschließend ein energiereicheres Lichtquant aussenden, gelangen sie in ein Potenzialtal, aus dem sie durch die nächste Absorption wieder herausgeholt werden, um anschließend ins nächste noch tiefere Tal zu fallen. Die Sisyphus-Kühlung stieß an die nächste Temperaturbarriere, die Rückstoßgrenze, die der Rückstoßenergie eines Photons entspricht. Für Natriumatome beträgt die Grenze 2,4 Mikrokelvin, für Caesium sogar nur 0,2 Mikrokelvin. Die Rückstoßgrenze schien nicht mehr unterboten werden zu können, da selbst die langsamsten Atome permanent Photonen absorbieren und emittieren und so immer in Bewegung bleiben. Doch bereits 1988 konnte Cohen-Tannoudji mit 0,18 Mikrokelvin die Rückstoßgrenze von 4 Mikrokelvin des Heliums unterbieten. Heute gibt es zwei Methoden, diese fundamentale Grenze zu überwinden: Die VSCPT-Methode überführt die Atome in einen »dunklen« Zustand, in dem sie kein Licht mehr absorbieren können, und Chu entwickelte alternativ dazu 1992 die Raman-Kühlung, bei der ebenfalls eine Rotverschiebung erzeugt wird, um ultrakalte Atome anzusprechen. Durch die Hyperfeinstrukturaufspaltung des Grundzustands nach Chandrasekhara Raman (Nobelpreis 1930) kann das Atom einen Impuls in Richtung Geschwindigkeit gleich null erfahren.U. Schulte
Universal-Lexikon. 2012.